Auch der deutsche Nachbar kann fremd sein - Autorin Luise Rist rät zu Offenheit gegenüber Flüchtlingen
Am Montag, 11. April war die Göttinger Autorin Luise Rist auf Einladung der Katholischen öffentlichen Büchereien zu Gast in der Borchener Sekundarschule. Das Thema ihres Buches „Rosenwinkel“ ist brandaktuell und basiert auf wahren Begebenheiten. Die junge Roma Anita, die mit ihrer Familie in Deutschland lebt und hier auch geboren wurde, hat keinen deutschen Pass. Die Familie lebt seit vielen Jahren in der Duldung, d.h. sie kann jederzeit abgeschoben werden. Als sie die Abiturientin Frida kennenlernt, freunden sie sich an und lernen voneinander neue, fremde Welten kennen. In Anitas Welt fühlt Frida sich wohl, erlebt Gastfreundschaft und ein fröhliches Miteinander der Roma-Familien. Frida stellt bald fest, dass ihre Welt viele Vorurteile gegenüber den Menschen im „Rosenwinkel“ hat, einem Viertel mit schäbigen Hochhäusern, wo Roma und viele andere Flüchtlinge untergebracht sind. Als Anita mit ihrer Familie plötzlich nach Bosnien abgeschoben wird, reist Frida ihrer Freundin nach, um sie zu suchen. Sie erlebt soziale Gegensätze, Diskriminierung und erfährt, dass Roma nirgendwo in der Welt erwünscht sind, auch nicht in Bosnien, wo sie weder arbeiten noch zur Schule gehen können.
Luise Rist fragte die Schüler, ob sie auch wie Frida ihrer Freundin hinterherreisen würden, wenn diese plötzlich nicht mehr da wäre. „Da kann man doch sowieso nichts mehr machen“, lautete die Antwort eines Schülers, der noch hinzufügte „Wir sind dazu zu bequem“, was sicherlich der Mentalität von so manch einem hier lebendem jungen oder alten Menschen entspricht. Leider.
Luise Rist ermunterte die Schülerinnen und Schüler, auf die Flüchtlinge zuzugehen, um sie kennenzulernen. Sie sollen sich durch das Fremde nicht abschrecken lassen. „Findet ihr nicht auch, dass auch der deutsche Nachbar sehr fremd sein kann?“, stellt Luise Rist eine durchaus berechtigte Frage. Zum Schluss gibt sie den jungen Zuhörern diese Botschaft mit auf den Weg: „Es kann nicht so schwer sein, mit jemandem in Kontakt zu treten, der hier neu anfängt. Jeder von uns fängt doch immer wieder irgendwie neu an.“
Anita, das Mädchen auf dem Cover des Buches, ist nicht, wie die Familie im Buch, nach Bosnien abgeschoben worden. Sie ist seit einigen Monaten mit ihrer Familie untergetaucht und hält sich daher illegal im Land auf. Luise Rist erzählte, dass Anita bei vielen Lesungen dabei war und selber Passagen vorgelesen hat. Nun kann sie nicht mehr dabei sein und auch nicht mehr die Schule besuchen, die sie im Sommer abgeschlossen hätte.
Luise Rist arbeitet inzwischen an ihrem zweiten Buch und erzählt die Geschichte von Anita und Frida weiter, anders als eigentlich vorher geplant. Die aktuellen Ereignisse um Anitas wirkliche Familie haben die Planungen der Autorin anders werden lassen.